Mein erster Ötztaler

Vent/Sölden. „Der Ötztaler Radmarathon ist ein Radmarathon, der seit 1982 jedes Jahr Ende August ausgetragen wird und als extrem schwierig gilt“. So heißt es bei Wikipedia. Nach gut 238 km und weit mehr als 5000 hm kann ich das nur bestätigen. Im folgenden mein ganz persönlicher Erfahrungsbericht:

Ich schaue auf die Uhr: 2:22 !? Das war nicht der Wecker. Dann ein erneuter Heulton. Die Sirenen des Örtchens Vent heulen erneut auf. Was ist denn los denke ich und schaue aus dem Fenster. Das flackernde Licht an den Wänden des gegenüberliegenden Hotels verheißt nichts gutes. Mit einem male bin ich hellwach. Hose und Hemd übergezogen, Wertsachen eingesteckt und schon kurze Zeit später bin ich draußen bei den anderen Schaulustigen: Im Hof eines benachbarten Hotels brennt ein PKW. Zum Glück hat die örtliche Feuerwehr das Feuer schnell gelöscht, aber schlafen kann ich nun irgendwie nicht mehr.

So liege ich bis fünf Uhr wach, zumindest der Körper soll etwas Ruhe bekommen. Dann Frühstück und hinunter nach Sölden. Pünktlich um sechs stehe ich mit vielen anderen Startern des Ötztaler Radmarathons 2013 im strömenden Regen am Start. Ich hatte zwischenzeitlich überlegt ob ich überhaupt starten sollte: 4 Stunden Schlaf sind nicht gerade die optimale Vorbereitung auf einen Radmarathon! Ich fühle mich schon jetzt wie gerädert, aber das ganze Jahr habe ich mein Training auf dieses Event ausgerichtet. Schon die Vorbereitungen waren nicht ganze einfach. Und jetzt bin ich endlich hier. Nein ich werde jetzt nicht einfach aufgeben!

Der Start

Der Start

Um 6:45 Uhr erfolgt der Startschuss und das Rennen beginnt mit einer langen Abfahrt. „Achte auf das was vor Dir passiert! Nur nicht stürzen!“ rauschen mir die Gedanken immer wieder durch den Kopf. Auf diese Abfahrt hatte ich mich mental vorbereitet.

Alles ist nass

Alles ist nass

Der Aufstieg zum Kühtei ist einfach nass, aber das was dann kommt ist der Hammer. 2°C zeigt mein Thermometer im Tacho an. Ich weiß nicht ob das stimmt, aber das Gefühl sagt es stimmt. Strömender Regen. Eine heiße Suppe am Morgen, essen, trinken, essen. Dann folgt die Abfahrt vom Kühtai in Richtung Insbruck. Die Kurzbeschreibung: Grausam!

Eine Abfahrt im Regen

Eine Abfahrt im Regen vom Kühtei, nass und eiskalt

Mehrmals ziehe ich zu stark an der Bremse und merke daß das zuviel war. Aber zum Glück stürze ich nicht. Das Training der letzten Wochen auf dem MTB hilft auch in dieser Situation die Nerven zu behalten. Später bei der Auffahrt zum Brenner bemerke ich ein Taubheitsgefühl in den Fingerspitzen: Vermutlich leichte Erfrierungen.

In Innsbruck wie auf großen Teilen der Strecke stehen jubelnde Zuschauer an der Strecke. Ein tolles Gefühl. Die Auffahrt zum Brenner verläuft aufgrund einer konditionell passenden Gruppe zügig und problemlos. Erst auf den letzten Höhenmetern muß ich es abreißen lassen, da ich das Tempo nicht mehr halten kann. Unter der Autobahnbrücke dann ein Ruf: „Los Detlef do schafft des!“. Man muß dazu sagen, daß auf der Startnummer auch der Name aufgedruckt ist und wenn man so langsam fährt daß die Zuschauer das lesen können… Ich schaue in die Richtung aus der der Ruf kam und mein Blick wird mit einem Lächeln und einer Laola erwidert. Momente die man nicht vergisst. Was wäre der Radsport ohne Fans.

Endlich kommt die Sonne durch und wärmt Körper und Herz. Es ist ein Genuss auf der gut ausgebauten Straße den Brenner hinunter zu jagen. Das macht Spaß! Es geht durch Sterzing zum Jaufenpass. Am Fuße des Passes ziehe ich die Regensachen aus. Die brauche ich hoffentlich erst mal nicht mehr. Dies ist insgestammt meine dritte Auffahrt auf den Jaufenpass und mir gefallen Aussicht und Charakter der Strecke sehr, auch wenn ich (zumindest gefühlt) von allen anderen überholt werde. An der Verpflegungsstelle setze ich mich erst mal auf den Boden. Tränen der Erschöpfung rinnen mir über die Wangen. So etwas habe ich bislang noch nie erlebt. Aber der größte und schwerste Berg kommt erst noch!

Abfahrt vom Jaufenpass

Abfahrt vom Jaufenpass

Doch zunächst kommt die Abfahrt vom Jaufenpass. Vor wenigen Wochen bin ich mit meiner Frau zusammen diese Abfahrt herunter gerollt und denke nun mit Erschauern an die gefährlichen Längsrillen im Asphalt zurück. Glücklicherweise wurde hier vieles repariert und so erreiche ich sicher und zügig St. Leonhard. Die Wärme im Tal ist sehr angenehm. Endlich lohnt es sich in kurzer Radkleidung weiter zu fahren.

Es folgt die Auffahrt zum Timmelsjoch. Ein schöner Streckenabschnitt, auch wenn ich weiß daß der njächste Anstieg lang ist – sehr lang. 1759 hm am Stück liegen vor mir und winden sich den Berg hinauf.

Blick vom Timmelsjoch zurück ins Tal

Blick vom Timmelsjoch zurück ins Tal

Zur besseren Motivation teile ich mir die Strecke in Abschnitten zu je 100 hm ein und messe die Zeiten mit der Stoppuhr. Eine Ablenkung die gut tut, auch wenn das Ergebnis ernüchternd ist: Die Steigrate fällt stetig bis zur Verpflegung in Schönau. Die Pause ist erholsam aber mittlerweile ist es wieder so kalt daß ich das Regenzeug überziehe und weiter nach oben fahre bis ich nach endloser Zeit die Passhöhe des Timmelsjochs erreiche. „Genieße das Timmelsjoch, aber feiere erst wenn du die Mautstelle erreicht hast“. So hat es jemand zu mir gesagt und als ich mich auf dem Anstieg zur Mautstelle befinde wird mir der Sinn dieser Worte klar. Hier wird einem wirklich kein Höhenmeter geschenkt!

Abfahrt vom Timmelsjoch

Abfahrt vom Timmelsjoch

Doch dann ist es geschafft und ich rase in einer berauschenden Fahrt bis nach Sölden hinab. Als mir die die Zuschauer zujubeln strecke ich die Finger zum V in den Himmel und schreie „Yeah!“ so laut ich kann. „Ein Verrückter“ mag da vielleicht mancher Passant denken. Zum Glück sind heute viele der Zuschauer selbst radsportbegeistert!

Geschafft!!!

Geschafft!!!

Hinter der Ziellinie habe ich dann nur noch ein Ziel: Das begehrte Trikot abholen und zurück ins Hotel zum Schlafen. Diese Strecke hat mir alles, wirklich alles abverlangt.

FAQ:

  • Fährst Du die Strecke nochmal? – Die nächsten 11 Monate mit Sicherheit nicht!
  • Warum tut man sich das an? – Keine Ahnung, vielleicht finde ich das beim nächsten mal raus.
  • Das ist doch verrückt? – Ja!

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2 Antworten zu Mein erster Ötztaler

  1. PS: Ein großes Dankeschön an EP für die redaktionelle Unterstützung.

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